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BILDMASCHINE
Mathias Wagner


Die Objekte und Installationen von Sebastian Hempel, in denen kinetische, optische und akustische Sequenzen, entweder solistisch oder konzertiert, die Dimensionen von Raum, Zeit und Bewegung anschaulich werden lassen, zeichnen sich trotz ihrer technologischen Professionalität durch ein hohes Maß an Experimentier- und Spielfreude aus. Hauptakteur ist dabei das Publikum. Alles, was sich bewegt, leuchtet und klingt, wird vom Künstler im Rahmen mechanisch-elektronischer Parameter als Zyklus präpariert, ist aber an die unvorhersehbare Interaktion der Betrachter, an ihre Lust mitzumachen, gebunden, ohne die Hempels Arbeiten ihr Wirkungspotenzial nicht entfalten können. Die im Werk vorinstallierten kinetischen, optischen und akustischen Effekte und Abläufe werden vom Betrachter manuell oder mittels Sensoren ausgelöst, unterbrochen und wieder in Gang gesetzt. An die Stelle eines statischen Bildes tritt im Wechsel von Bewegung und Ruhe, Aufleuchten und Verlöschen, Sound und Stille fortwährende Permutation. Hempels Arbeiten sind aus der Sicht des Betrachters praktisch ohne Anfang und Ende, da Zeitpunkt und Dauer der individuellen Beschäftigung mit ihnen nicht ihrem technischen Algorithmus folgt. So kreist der Lichtarm in einer vorgegebenen Taktfrequenz wie der Suchstrahl eines Radargerätes immer wieder von neuem über die Platte eines runden Tisches, die aus einem Ring radial angeordneter Leuchtstoffröhren besteht. Trotz ihrer elektrischen Erzeugung erinnert die gleichmäßige ziellose Bewegung auch an natürliche Phänomene, etwa an die unablässige Brandung des Meeres und vermittelt eine Vorstellung von Dauer jenseits der Uhr. Das „Murmelspiel“ entstand im Zusammenhang mit einer Ausstellung, die sich mit dem Thema der Ungeduld beschäftigte. Hempel entschied sich, eine 3D-Variante eines Geduldsspiels zu bauen. Seine Version besteht aus einem Plexiglasquader, in den ein labyrinthisch anmutender Gang gefräst wurde, der zwei sich diametral gegenüberliegende Löcher verbindet, die als Einlass- bzw. Austrittsstelle der Spielkugel dienen. Der Kasten wird in einer Halterung frei beweglich aufgehängt und lässt sich in der Längs- und Querachse jeweils um 360° drehen. Versucht man nun, die Kugel mittels Schwenken, Kippen und Drehen des Kastens durch die Gänge zu manövrieren, stößt man schnell an die Grenzen einer brauchbaren Koordination von Auge und Hand. Räumliches Denken und dessen Übersetzung in manuell strukturierte Bewegungsabläufe stellt viele von uns vor Probleme (sonst hätte das Spiel ja auch keinen Reiz), denn unsere Wahrnehmung verarbeitet die komplexen Relationen von Raum und Bewegung zweidimensional. Die Bestzeit des Künstlers steht bei 20 Minuten.
© Mathias Wagner
Publikation: SCHICHTEN I 2011
Herausgeber: Galerie Baer, Dresden, D