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L. Dressel Das Weiße Rauschen, Sebastian Hempel bei von Bartha Chesa S-Chanf
Das Spezifikum des Galerieortes der von Bartha Chesa besteht nicht allein im Charme des alten Engadiner Hauses, sondern auch in seinem Raum im Raum Einbau im Scheunentrakt. Der dunkel geteerte Betonquader entfaltet eine besondere Wirkung. Es ist nicht von ungefähr, dass der universalen Form des schwarzen KubusŽ und Quadrats eine kultische Bedeutung und Anziehung, aber auch der rationalistische Ausdruck der Moderne zugeschrieben wird. In Sebastian Hempels Ausstellung ist diese Eingangssituation mit einer Toninstallation unterlegt. Den Besucher empfängt der Singsang einer Männerstimme. Ein Gebetsruf? Die aufkommende liturgische Stimmung wird jedoch durch den schnarrenden Rückholmechanismus der am Kubus in Brusthöhe umlaufenden Schalltrichter verfremdet. Der Betrachterblick richtet sich auf die technische Konfiguration und lässt nach der Lautentstehung und ihrem Mechanismus fragen. Der Kubus wird förmlich umkreist von einer angebrachten Tonspur-Schiene und einer mobilen Tonabnehmervorrichtung. Die Singstimme in ihrer meditativen Melodik, die in der Scheunenhalle nachklingt, besitzt mit der Apparatur und dem spielerischen Wiedergabemechanismus einen merkwürdigen Kontrapunkt. Hat man der Bewegungsrichtung der Tonabnehmerspur folgend den Raumkubus bis zur gegenüberliegenden Seite umschritten, kann man eintreten in seinen White Cube Innenraum. Und die Wirkung ist beträchtlich! Doch nicht in einem kathedralen Sinne. Die dem Eingang gegenüberliegende Wand füllt ein dynamisches mit weißen Stoffbahnen vor schwarzer Wand bewegtes Bildwerk aus: Black Movement. Mit vertikaler und horizontaler Bewegungsrichtung schieben sich weiße Bildflächen vor schwarzen Wandsegmenten durch immer neue Farbflächen-Konstellationen. Nicht um die Aura, sondern um ihre Aufdeckung ists dem Künstler zu tun. Es ist eher das Licht der Aufklärung, das uns hier umgibt. Hempels Thema ist die Bilderzeugung vor dem Hintergrund ihrer Mechanismen und Verfahren, sei es bei der Darstellung oder bei der Wahrnehmung. Die Rezeption der minimalistischen Farbfeldsequenzen der Arbeit Black Movement und der Überschneidungen von Schwarz und Weiß sowie Vordergrund und Hintergrund stehen in Verbindung mit ihrer Materialität und mechanischen Bewegung. Die entstehenden Bilder sind wichtig, gerade im Gegensatz zu Suggestion oder Illusionierung. Zentrales Moment bildet die bewusste Thematisierung der Konstruktion der Bilder, der Bildfolgen und ihrer technischen Konfiguriertheit. In diesem Sinne deckt auch das Lichtobjekt Zwei Lichtkreise seine Mechanik auf und zeigt bewusst im auslaufenden Drehmoment und dann sichtbaren Bildinnenleben nicht nur die Erzeugung, sondern auch Hintergründe der Seh-Erscheinungen an sich vor. Klar: Ebenso sitzt die Toninstallation der Eingangssituation keinen Mystifizierungen auf und ist vom Interesse des Künstlers an Bild- und Raumerzeugung sowie Wiedergabeverfahren und Abspielsystemen bestimmt, in ihrer Form und auch in der abgespielten Tonsequenz. Hier ist nicht nur in der Tonspur ein manueller Nachvollzug des Schallplattenprinzips gegeben, der durch einen Abspielschlitten und Schalltrichter realisiert wird, sondern ist auch die hörbare Stimme eine reflektierende. Wiedergegeben ist John Baldessari wie er Sol Lewitts Thesen zum Konzeptualismus singend intoniert. So wie hier die theoretische Ebene mit der sinnlichen Zelebration konterkariert wird, lösen sich bei Hempel das Ansprechen der Sinne je mit dem sachlichen Aufdecken von Wahrnehmungsprinzipien ab. Und beides hat Recht. © L. Dressel Publikation: yearbook I 2012 Herausgeber: Galerie von Bartha, Basel, CH
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