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Holger Birkholz Schattenfolgen - Sebastian Hempel
Die Bilder von Sebastian Hempel sind beweglich, wie auch die Räume, die von ihm bearbeitet werden. Sie sind ausgestattet mit Sensoren, reagieren so auf die Anwesenheit potentieller Betrachter, bzw. Nutzer. Diese werden zu Auslösern, die das künstlerische Ereignis mittels ihres Körpers in Gang setzen. Der mechanische Vorgang hat inhaltliche Konsequenzen. Erst die körperliche Präsenz des Nutzers vollendet das Kunstwerk, das sich nur im Augenblick seiner Betrachtung wirklich ereignen kann. Wenn sie derart in Betrieb genommen werden bekommen sie durch diese Form der Animation eine Seele, die schlicht in ihrer Bewegung begründet liegt. Indem wir durch unsere Stellung vor dem Werk den Mechanismus in Gang setzen, der uns die technischen, visuellen und strukturellen Möglichkeiten des Werkes vorführt, bilden wir uns im Werk ab. Das Werk blickt auf diese Art zurück, wie das unzählige Porträtierte in der Kunstgeschichte tun. Ihr Blick aus dem Bild heraus antwortet dem Blick des Betrachters auf das Bild. Wenn wir so unseren Weg entlang der Schattenwand von Hempel nehmen, fühlen uns durch die vom Weißen ins Schwarze umschaltenden Paneele bemerkt. Dass sie so willfährig Folge leisten in ihrer technischen Einstellung, macht sie zu Spielgefährten. Wir versuchen ihre Reaktionsgeschwindigkeit auszureizen, den Tanz vor dem Werk mit dem Tanz im Werk als Einheit zu verspüren. Rhythmen, Flächenaufteilungen, die Kontraste von hellem Weiß und dem matten Schwarz, schwarzweiß gestreiftes Grau als Zwischenton bilden Grundelemente dieser Choreographie, deren Struktur Hempel vorgibt und deren Ablauf unsere Bewegung bestimmt. Dabei ist es wohl nicht unerheblich, dass der Figur des Betrachters die senkrechte schwarze Fläche zugeordnet ist. Auch bei Schattenrissen empfinden wir die gefüllte schwarze Fläche als Zeichen des Individuums. Jener gesetzte, erste Strich im Ich wenn ich Ich schreibe, markiert diese Vertikalität meiner aufrecht in der Welt stehenden Haltung. Für Plinius ist dieser Schatten deshalb Symbol der Bildwerdung überhaupt. Kunst entsteht, um das Bild dessen, der scheidet, in der gezeichneten Silhouette festzuhalten. Bei Hempel bleibt das Bild ironischerweise nur so lange ich es anschaue und erweckt neben der spielerischen Dimension des Schattens dessen andere Seite, die ans Unheimliche grenzt. Als anderes Ich fürchten wir das Eigenleben des Schattens. So gab es Zeiten, zu denen Menschen fürchteten, dass ihnen ihr Bild die Seele rauben könnte. Geschichten von allmächtigen Schatten und unglücklichen Schattenlosen bevölkern die Literaturgeschichte. Solche Reflexionen über die Schattenseiten der Psyche stößt Hempel mit auf den ersten Blick reduzierten Arbeiten an, deren Kontext in Minimalismus und kinetischer Kunst, sich eigentlich gegen derartige inhaltliche Aufladungen wehren müsste. Bei Hempel entstehen sie durch das nicht leicht Erklärbare und sinnlich Verblüffende seiner Arbeiten. Wie ein Zaubertrick harrt es seiner Entdeckung. Doch, wenn es in seiner Konstruktion erklärt und verstanden ist, setzt das dennoch nicht den irritierenden Eindruck auf unser körperliches Selbstempfinden außer Kraft. Wir folgen einer gewissen Art der Angstlust, wenn wir immer wieder nach der Begegnung mit Hempels Verwirrungen unserer Sinne suchen. Selbst wenn wir verstehen, wie sie funktionieren, behalten sie ihren Reiz und beanspruchen so ein Eigenleben als Skulptur. Die tanzenden Neonröhren der Arbeit Lichtfeld werden jenseits reduzierter Formensprache zum Elfenreigen, auch wenn ich mich angesichts des möglichen Vorwurfs unzulässigen Romantisierens kaum getraue, das zu schreiben. © Holger Birkholz Publikation: SEBASTIAN HEMPEL I 2012 Herausgeber: Galerie Baer, Dresden, D
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